In trockenen Büchern

Unlesbares hörbar gemacht

ITB017 Granularität

| 29 Kommentare

Die Digitalisierung verändert unsere Wahrnehmung der Welt: Unsere Körper, die Natur, unsere sozialen Beziehungen – alles erscheint in höherer Auflösung, durch immer mehr Daten analysierbar. Feinste Unterschiede werden erkennbar, das Individuelle überlagert das Allgemeine. Lässt sich unser gesellschaftliches Ideal der Gleichheit vor diesem Hintergrund aufrechterhalten? Im Umgang mit komplexen Daten sind uns Computer zusehends überlegen. Wer sind wir noch, wenn Intelligenz und Rationalität nicht mehr als allein menschliche Merkmale gelten können? Müssen wir uns vom Homo rationalis zum Homo irritabilis entwickeln, um uns von intelligenten Maschinen abzugrenzen?
(Klappentext)

Mit wem ich auch rede, alle haben das Gefühl, dass die Welt, wie wir sie kannten, zusammenbricht. Das Buch von Christoph Kucklick hat es mir mit eiskalter Nüchternheit bestätigt, mir aber auch Lust gemacht, mich mit den Fragen und Herausforderungen der Zukunft auseinanderzusetzen und der Katastrophe mit Engagement und Neugier zu begegnen statt mit Untergangsangst. Dringende Leseempfehlung!

…und hier könnt ihr überprüfen, wie gut Facebook euer psychologisches Persönlichkeitsprofil, die politische Präferenz, sexuelle Orientierung und sogar Intelligenz im Vergleich zum Durchschnitt voraussagen kann. :)

29 Kommentare

  1. Wegen Gedächtnisschwäche: Gunter Dueck, der frühere Cheftechnologe (CTO) von IBM Deutschland, beantwortete die Frage (von Unternehmen) nach neuen Kernkompetenzen oder “Professionalität” bei der heutigen Allverfügbarkeit von Wissen ganz ähnlich wie du bzw. Kucklick (7min-Ausschnitt):

    https://www.youtube.com/watch?v=LoulTyDCixs

  2. Tolle Folge! Danke.

    Die Autofrage ist leider der Prototyp der akademischen Elfenbeindebatte.

    Wieviel “individuelle Abwägung” findet in dem Unfallszenario, dem Bruchteil einer Sekunde, tatsächlich statt? Ist es nicht eher eine Panikreatiktion aus dem Affekt? Der hängt davon ab, ob ich gerade von einem Besuch bei meiner Großmutter komme oder mein Kind zum Kindergarten gebracht habe.
    Ist das weniger zufällig (aus Sicht es Opfers)?

    Alles deutet darauf hin, dass die Zahl der Autototen durch selbstfahrende Autos um den Faktor 10 abnehmen wird.
    Computer fahren nicht betrunken, halten sich an Tempolimits und haben keine “Schrecksekunde”.
    Diese Sekunde bedeutet 20 Meter Bremsweg. Während der Mensch “individuell abwägt” wer jetzt totgefahren wird, rettet das Googleauto am Ende eher beiden das Leben.

    Danke, dass Du diesen Podcast machst!

    • Zur Zeit verursachen führerlose Autos wohl doppelt so viele Unfälle wie normale Autos. Interessanterweise aber nicht deshalb, weil sie unausgereift sind, sondern weil sie zu korrekt fahren. Menschliche Fahrer unterstellen ihren Autokollegen einen gewissen Grad an Regelverstoß, damit der Verkehr fließt, und fahren in dieser Annahme den anständigen Computerautos dann doch häufiger hinten auf:

      http://www.bloomberg.com/news/articles/2015-12-18/humans-are-slamming-into-driverless-cars-and-exposing-a-key-flaw

      • @HAL
        HAL schrieb: “Zur Zeit verursachen führerlose Autos wohl doppelt so viele Unfälle wie normale Autos. (…)Menschliche Fahrer unterstellen ihren Autokollegen einen gewissen Grad an Regelverstoß (…) und fahren in dieser Annahme den anständigen Computerautos dann doch häufiger hinten auf.”
        Und dann haben wirklich die führerlos fahrenden Autos den Unfall verursacht, weil sie sich an die Verkehrsregeln gehalten haben und nicht etwa die Menschen, die den Computerautos hinten reingefahren sind? Nach der Logik müssten Sie ja auch sagen, dass die regeltreu fahrenden Menschen mehr Unfälle verursachen als die laxen.

        • Aus der gleichen Logik (wenn nicht aus eigener Praxis) könnten Sie schließen, dass das wohl tatsächlich so ist; dass empirische Menschen in der Masse eben nicht regelstur fahren; dass also erst ein _regelsturer_ Fahrer die Verkehrsrealität ad absurdum führt, wie im Artikel festgestellt.
          Sie verwechseln vielleicht, dass was Menschen machen sollen, mit dem was sie tun, und verschieben das nun auf eine ganz andere Frage, vom realitätsgerechten Fahrverhalten autonomer Autos ins Moralische: Wie kann der schlecht sein, der die Regeln einhält.

    • Gut, dass es jemand vor mir geschrieben hat. Das erspart mir die Arbeit :)
      Einen Aspekt würde ich aber noch hinzufügen. Einerseits wird angeführt, dass in der granularen Gesellschaft alle möglichen Daten über alles und jeden verfügbar sein werden. Dann wird aber mit der Perspektive eines Autofahrers aus der heutigen (oder eher gestrigen) Zeit argumentiert. Wenn man selbstfahrende Autos als gesamtgesellschaftliches Projekt ausrollen will, dann wird natürlich jedes Auto auch Zugriff auf alle verfügbaren (aber hoffentlich nur relevanten) Daten haben. Stichwort “Car2Car Communication” und andere Sachen die man sich ausdenken kann. Dann werden die Autos bereits mehrere Kreuzungen entfernt genau wissen, dass dort jemand auf der Straße liegt oder ein Gruppe Kinder rumspielt und kann das “Risikogebiet” auch einfach umfahren.
      Ein Computer kann theoretisch dauerhaft seine gesamte Umgebung komplett überwachen. Ein Mensch ist manchmal schon damit überfordert über seine Schulter zu gucken.

    • Das Unfallszenario ist sicher eine klassische “Elfenbeinturmthematik” muss aber dennoch bis zu einem bestimmten Grad von den Softwareingenieuren bearbeitet werden. Da die Entwicklung überwiegend aus dem angelsächsichen Kulturbereich vorangetrieben wird kann man wohl mit einem recht utilitaristischen Ansatz rechnen. Irgendwo habe ich gehört dass das GoogleCar, vor die Alternative weiches versus hartes Ziel (Kind / Baum) gestellt, lieber das Kind überfahren würde um das Leben des Fahrers zu schützen.

  3. Zum Lernen:
    Dass wir nicht mehr so gut auswendig lernen, hängt ja nicht nur damit zusammen, dass wir eben wissen, wo wir nachgucken können – also einfach zu faul sind. Unsere Konzentratiosschwäche ist ja vor allem auch ein Produkt der permanenten Reizüberflutung. Ständig prasseln neue Informationen auf uns ein, überall blinkt es bunt, steht in großen Lettern, was wir tun/kaufen sollen. Überall läuft Musik oder Stimmen reden aus Lautprechern auf uns ein. DAZU kommt die selbstgewählte Reizüberflutung, der wir uns aussetzen, wenn dank diverser Kommunikations-Apps ständig das Handy mit neuen Informationen aufwartet oder wir eben jeden Tag auf 15 verschiedene Links klickten etc.pp.
    Unser Gehirn ist also ständig ÜBERLASTET, es hat viel weniger Chancen, nun auch noch gut auswendig zu lernen (natürlich können wir unser Gehirn bis zu einem gewissen Grad trainieren, damit umzugehen. Aber genau wie ein Mensch nie ohne Hilfe über ein Hochhaus springen wird, gibt es auch hier ein Limit dessen, was wir erreichen können).
    Wenn es nicht gerade zur Apokalypse kommt, ist nun nicht zu erwarten, dass die Reizüberflutung weniger wird. Es ist also dringend notwendig, Wissen auszulagern (ahne ich zumindest halbwissend).
    Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass wir damit bewusster umgehen, also wirklich WÄHLEN, was wir uns merken und was wir lieber bei Bedarf googlen. Das ist vermutlich eine Kompetenz, die in die Lernpläne eingefügt werden sollte (es aber noch lange nicht wird).

  4. Dass Computer nur Zahlen kennen ist zwar technisch richtig, aber die künstliche Intelligenz arbeitet auch mit neuronalen Netzen, die die Mustererkennung unseres Gehirns simulieren. Was unser Körper mit chemischen und analogen elektrischen Signalen macht, macht der Computer mit digitalen Signalen. Das wird genauso gut funktionieren, sobald in ein paar Jahren die Rechenleistung groß genug ist.

    Hier für alle neuen Besucher noch ein Hinweis auf eine alte Folge – das dort besprochene Buch beschäftigt sich auch mit der Zukunft der Menschheit:
    http://in-trockenen-buechern.de/itb007-menschheitsgeschichte/

    • Meinst sicherlich die Stelle, als sie Computer vglw. “mechanisch” besprochen hatte, während Menschen flexibler wären. Fand ich wie du auch nicht ganz treffend, da der Hauptzweck künstlicher Intelligenzverfahren (wie K. Neuronale Netze) ja eben darin besteht, Aufgaben fehler- bzw. variantentolerant zu erlernen und durchzuführen, Dinge zu klassifizieren, Zusammenhänge herzustellen usw., – d.h. ohne einen Programmierer, der das Zeug “mechanisch” mit ja-nein-if-else-Statements reinhackt, was ab einer gewissen Komplexität bzw. Variabilität auch nicht mehr durchführbar wär, wie z.B. Katzen in etlichen Formen, Farben, Positionen in allen YouTube-Videos erkennen: http://www.wired.com/2012/06/google-x-neural-network/

      • Nachtrag: Auf einer gewissen Ebene müssen Sie natürlich abarbeiten, was Ihnen Menschen vorgeben. Aber das muss ich morgen (Montag) auch wieder :(

    • Zu neuronalen Netzen empfehle ich sehr den CRE Podcast von Tim Pritlove zu dem Thema!

  5. Huhu,

    also was die Haftung bei selbstfahrenden Autos angeht, ist das einfacher als in den Medien oft dargestellt. Seit 30 Jahren werden Maschinen programmiert, die im Fehlerfall Menschen töten. Ist nun dem Programmierer in Person nachzuweisen, dasser fahrlässig gehandelt hat, haftet er.
    Aus dem Grund habe ich meinen Job an den Nagel gehängt. Denn während man dort sitzt und der Maschine beizubringen versucht, was sie tun soll und nicht tun darf, stehen neben einem Projektleiter und machen Druck. Die Forderung, Sicherheitsmechanismen zu überbrücken habe ich nur zu oft gehört … und mich jedes Mal gegen verbale Attacken ankämpfend geweigert. Das machen nicht viele und so haften leider oft die Programmierer selbst.
    Ist es hingegen eine Anweisung der Firma, haftet die Firma. Ist es ein Bedienfehler, haftet der Bediener (auch hier wieder je nach Verhaltensnachweis entweder in Person oder als Firma).

    Wenn Autos vollautonom fahren, kann der “Fahrer” nicht haften. Das wäre, wie wenn alle Passagiere haften, wenn ein Flugzeug auf ein Dorf fällt.

    Ist das Auto teilautonom, wird es einen Handshake geben, der klar regelt, wer gerade die Kontrolle hat.

    Heikel wird es, wenn ein Assistenzsystem dem Fahrer, der gerade das Auto steuert, sagt, dass er die Spur verlässt, er dann schreckhaft gegensteuert und einen Unfall verursacht. … Und dann stellt sich heraus, dass die Fahrbahnmarkierung fehlerhaft war.

    Die Frage, ob das Auto lieber eien oder zwei Leute tötet, wenn es keine Alternative gibt, ist rein philosophisch. Selbst wenn das Auto irgendwann bestimmen könnte, wie alt ein Mensch auf der Straße ist (was ich nicht glaube, weil es keine Vorteile bringt und deswegen an Sparmaßnahmen scheitert), kann das Auto nicht vorhersehen, ob dieser Mensch noch wegspringen kann oder ob ein Aufprall tödlich sein würde. Die Probleme mit autonomen Autos werden nicht in den Tiefen des Entwurfs zum Vorschein treten, sondern un den kaputtgesparten Auswürfen der Automobilindustrie. Es gibt doch kein fundamentales Problem mit dem aktuellen Fahrzeugentwurf, dennoch werden jedes Jahr Millionen Autos zurück gerufen. Auch in der aktuellen Abgas-Affäre geht es nicht darum, dass es nicht besser geht, sondern, dass da gespart werden sollte.

    Also, so sehr ich mich in philosophischen Betrachtungsweisen verliere und mein Umfeld damit in den Wahnsinn treiben kann, halte ich die Debatte um die Ethik von Algorithmen in den Medien gerade kontraproduktiv. Denn erstens macht sie Angst, wo keine hingehört und zweitens beschützt sie die eigentlich Verantwortlichen. Die, die das Kaputtsparen zum System machen, um einen höheren Bonus einzufahren.

    Zur Frage, ob wir als Gesellschaft verfallen, weil wir nichts mehr merken müssen, bin ich weniger pessimistisch. So isses halt. :D
    Vielleicht ist die Zeit, in der wir als Menschen so viel auswendig gelernt haben, ein kleiner Ausrutscher war. Die Menschen wussten vielleicht einfach ein paar hundert Jahre nicht, wohin mit der Leistungsfähigkeit dieses Apparates in unserem Kopf.
    Ich halte es auch für Unsinn, zu wissen, wer gerade Ministerpräsident in irgendeinem Bundesland ist. Ich finde es wichtiger, zu wissen, wie der Ministerpräsident gewählt wird oder aus welchen Bundesländern Deutschland besteht (also als Deutscher jetzt). Letzteres ist zwar auch extrem einfach nachzuschlagen, ist aber auch nciht schwer, sich zu merken und irgendwie gibt es ja doch ein paar Sachen, die man schon im Kopf haben sollte, ohne Google zu fragen. Welche Sachen das sind, muss jeder für sich entscheiden. Ich habe aber gerade vor ein paar Jahren noch einmal die Bundesländer, Landeshauptstädte und Wappen auswendig gelernt. Das hatte einfach damit zu tun, dass ich beruflich ein paar Jahre quer durch Deutschland touren musste. Also, jedem das Seine, aber wer dann alles nachschlagen muss, der tut sich auch keinen Gefallen.

  6. nicht jeder kann scheinbar gescannt werden.

    “Sorry, we are unable to generate a prediction. An insufficient number of your Likes match with those in our database, and we don’t believe in guesswork.”

  7. Laut dem Facebook Test bin ich 18 Jahre jünger als ich tatsächlich bin. Und eine Frau.

    Ach, nicht einmal Facebook kennt mein wahres Ich.

  8. Danke, Alexandra, für diese tolle Folge! Ich habe dank Deiner Zusammenfassung endlich einige Gedanken, die mir seit Wochen im Kopf rum spukten, mit den richtigen Begrifflichkeiten versehen können. Ich würde mich freuen, wenn jemand einen Blick darauf werfen möchte. Den Link habe ich im Kommentarfeld als Website angegeben, ich hoffe, dass das klappt.

    Beste Grüße aus Trier und nochmals danke, dass Du uns das Unlesbare hörbar machst!
    -Toby

  9. Zur Frage der Haftung selbstfahrender Autos: Wie wär’s, wenn einfach derjenige haften würde, der die Schuld am Unfall trägt? (Zum Beispiel die Oma, die auf die Strasse läuft.)

  10. Auch nochmal vielen Dank, Alexandra, für diese und alle anderen Episoden! Zu dieser im Speziellen ging mir das Wort “mindblowing” durch den Kopf, ein entsprechendes Wort auf deutsch fällt mir nicht ein.

    Ich habe Auswendiglernen Zeit meines Lebens gehasst, weil ich nie den Sinn darin sah. Gleichzeitig habe ich mich schuldig (weil faul und undiszipliniert) gefühlt. Nun hat mir Herr Kucklick die Absolution erteilt, ich darf mein Gedächtnis guten Gewissens in der Tasche mit mir herumtragen, dafür bin ich sehr dankbar.

  11. Mich würde mal interessieren wie lange es her ist dass du dieses Buch gelesen hast und wie dein Interesse geweckt wurde?

    Hintergrund der Frage:
    Irgendwann in der Wrintheit wurdet ihr mal gefragt ob Ihr, also du und Holger, irgendwie euer Verhalten geändert habt nach den ganzen NSA Geschichten. Sprich anders mit Social Networks umgehen, andere Messenger nutzen usw.

    Die Antwort damals grob zusammengefasst “Nö wieso auch, ist mir auch eh zu kompliziert”.

    Daher klingt die Einleitung hier für mich doch schon etwas naiv wenn du darüber sprichst wie erstaunt du warst das man anhand eines FB Profils ein Persönlichkeitsprofil zeichnen kann was durchaus sehr genau ist, vor allem wenn man viele Daten eingibt (was du im Prinzip nachher auch noch als Erkenntnis aus dem Buch zitierst).

    PS:
    Beim FB – Test kam bei mir auch eher ziemlicher Unfug raus aber immerhin bin ich 9 Jahre jünger, das ist ja auch schon mal was. Ich habe das Netz wohl mit zu wenig Infos gefüttert, aus Gründen…

    • Da du gegen Ende dieser Folge auch nach Meinungen zum Auswendiglernen und dem Wandel durch die Digitalisierung gefragt hast:
      Ich bin schon lange der Meinung das wir dringend in Schule und Uni mehr lernen müssen die digitalen Medien zu nutzen und vor allem weg vom stumpfen Auswendiglernen. Noch heute habe ich viele Bekannte die mich fragen “Ich finde dazu nichts im Netz, kannst du mal googeln?”. Es liegt einfach daran dass sie nicht gelernt haben Suchmaschinen richtig zu nutzen und die gelieferten Informationen richtig zu filtern. Aber Hauptsache beim stumpfen Auswendiglernen in der Schule immer gut gewesen und danach alles wieder vergessen.

      Zum Ansatz wie Lernen besser funktionieren kann möchte ich dir auch mal empfehlen: wenn du das nächste mal in einer Buchhandlung bist, guck mal in der IT-Abteilung nach Büchern der Reihe “Head First” (Deutsch “Von Kopf bis Fuß”). In jedem dieser Bücher findet sich die Einleitung die zunächst darüber aufklärt warum wir manche Dinge besser lernen und warum manche nicht. Ist ja vielleicht auch mal spannend für dich.

      Und dann auch noch Podcast Empfehlungen die du vielleicht noch nicht gehört hast, hier aber durchaus passend sind. Im Rahmen von “Forschergeist” hat Tim Pritlove hier folgende Interviews geführt:
      http://forschergeist.de/podcast/fg022-hochschullehre-digital/
      http://forschergeist.de/podcast/fg021-spielen-und-lernen/
      http://forschergeist.de/podcast/fg011-lehren-und-lernen-in-digitalen-zeiten/
      http://forschergeist.de/podcast/fg006-die-bildung-und-das-web/

  12. Erstaunlich, dass die meisten Posts sich hier mit dem selbstfahrenden Auto beschäftigten. Obwohl gerade dieses Thema dasjenige im besprochenen Buch ist, das mit der Thematik Granularität am wenigsten zu tun hat. Der Autor hat das meines Erachtens nur in sein Buch aufgenommen und hierzu einen gewaltsamen Bezug zu seinem Thema Granularität aufgenommen, weil er weiß, dass Autothemen der Autonation sehr am Herzen liegen, wie die Diskussionen hier bestätigen.

    Zu Alexandras Frage zum Lernen heute im Gegensatz zu früher: Ich denke, der Mensch ist ein sehr lerngieriges Wesen, weil alles was er lernt, ihm nützen könnte. Je mehr er über seine Umwelt weiß, desto besser sind seine Überlebenschancen.
    Als der Mensch immer mehr vom Ackerbau-Viehzucht-Wesen zum Wissenswesen übergegangen ist, hat man diese Eigenschaft halt manchmal mehr, öfters weniger unbeholfen genutzt, um ihm teils wichtige Dinge in der Schule beizubringen, teils unwichtige, weil er halt eh schon in der Schule war und da durften halt auch Religionslehrer ran und Deutschlehrer, wenn er ihm Gedichte auswendig lernen ließ. Ist ja auch putzig, wenn die Kleinen plötzlich Gedichte aufsagen.
    Was wir Menschen lernen, läuft ja sowieso geschätzt zu eisbergigen 90 Prozent unbewusst ab, sonst könnten wir uns in unserer Welt nicht zurechtfinden. Gutes Beispiel ist der Wortschatz der eigenen Muttersprache, wo in Kindesjahren Tag für Tag über viele Jahre lang rund zehn neue Wörter gelernt werden, um nur so am Ende bei den knapp hunderttausend Wörtern anzukommen.
    Und deshalb fällt es auch so schwer abzuschätzen, ob die heutigen Kinder und Jugendlichen weniger lernen als früher, nur weil sie Dinge, die sie jederzeit nachschlagen können, nicht mehr auswendig lernen.
    Meine Einschätzung ist, dass Maß an Lernvolumen über die Jahrzehnte konstant geblieben ist, nur die Methodik ist von Kultur und Technik dahingehend verbessert worden, dass zunehmend nurmehr die Metadaten gespeichert werden und die Fähigkeit, Wissensspeicher zu nutzen, als die Daten selber zu lernen.
    Und am Ende der Entwicklung sind wir immer noch nicht angekommen. Denn dem Auswendiglernen folgte das Wissen wo’s steht und danach kann man sich weitere Delegations- und Abstraktionsschritte vorstellen wie das Wissen, wie es herausgefunden werden könnte und das Wissen, welche Quelle es herauszufinden wieviel Vertrauenswürdigkeit und welchen Bezug zu eigenen Werten und Vorstellungen hat usw.
    Es ändert sich also nur die Art des Lernens, aber das Volumen ist uns angesichts der Lerngier aber auch endlicher Kapazität irgendwie in die Gene geschrieben.

    • zu dem Auswendiglernen, bzw. lernen ueberhaupt statt zeitnah nachzuschlagen: Man kann nur zu dem was im Kopf ist einen Querbezug aufbauen (Transferwissen?). Deshalb bin ich fuers teilweise auswendiglernen in der Schule.

      Mich hat lange beschaeftigt, wieso Mediziner sich durch eine Hammer Auswendiglerntortur quaelen muessen. Erste Loesungsidee war, nachschlagen braucht zuviel Zeit. Doch wahrscheinlich ist das zusaetzliche Bezuege herstellen mit im Kopf vorhanden genauso Grund.

      Neuronale Netze maessig fand ich dieses “malen Lernen” sehr interessant
      https://www.wired.de/collection/latest/so-bringt-man-einem-neuronalen-netzwerk-das-malen-bei

  13. Danke für diese tolle Folge! Da vom Handy aus nur ganz kurz: Lernen ist mehr als Auswendiglernen, Intelligenz mehr als Wissen. insofern ist die Gefahr der Auslagerung von Wissen als Ergebnis eines Denkprozesses eben genau das: Es finden diese Prozesse nicht mehr statt, es geht dir nichts in Fleisch und Blut über, Stichwort Körperintelligenz. Diese Bedrohung finde ich viel elementarer, weil es uns komplett hilflos und abhängig macht. Wir wissen doch alle dass wir Mathe lernen um denken zu lernen, weil wir diesen Prozess fürs Leben brauchen, nicht die binomischen Formeln.

    Selsbtfahrendes Auto sehe ich wie Vorredner den Zusammenhang zur Granularität nicht.

    Und ein letzter Gedanke, der mir kam: Kann es sein, dass auch Meinungsfreiheit und Netiquette solche alten Institutionen sind, die durch Granularität angegriffen werden? Dass wir immer feinaufgelöster auf Hater und Asylkritiker stoßen, die es vorher anscheinend nicht gab (natürlich gab es sie) und mit den regulierenden Institutionen die wir jetzt haben hier nicht weiter kommen?

  14. Zu der Frage ob die Wandlung der Gesellschaft zu mehr dem Wissen wo was zu finden ist, als dem eigentlichen Wissen wie etwas zu machen ist oder zu verstehen ist zu Bewerten ist sehe ich wie folgt:
    An sich ist es ja ok, aber die Abhängigkeit von der Technik birgt ein nich zu verachtendes Risiko, was vielen “Hochkulturen” auch in der Vergangenheit immer wieder zum Verhängnis geworden ist, nämlich fällt diese Technik aus z.B. in unserem Fall durch Magnetstürme der Sonne (EMP) oder ähnliches, dann fällt unsere Technik weg, und wir können nicht mehr nachsehen, was dann? Dann wird sehr wahrscheinlich das selbe wie bei anderen “Hochkulturen” passieren, sie werden von den “einfacheren” überrannt.

    Danke für diesen anregenden Podcast, wie immer super.

  15. Interessante Kommentare hier. Gibt’s eine Möglichkeit sich auf Kommentare zu subscriben? Am Besten gleich global für alle Folgen des Podcasts, dann verpasst man nichts, was vor dem eigenen Beitrag geschrieben wurde.

  16. Noch ein paar Gedanken zu den autonomen Autos:

    Kann ein Auto schuld sein? – Wir haben jetzt schon Kleinkinder und Hunde die autonom im Straßenverkehr agieren und Unfälle verschulden können aber nicht deliktfähig sind. Warum Autos nicht genauso behandeln?

    Wer haftet? – Unser Rechtssystem basiert weniger auf Schuld als auf Haftung und auch die wird normalerweise auf eine KFZ-Haftpflicht-Versicherung abgewälzt. Solche Autos werden also genau dann kommen, wenn sich jemand findet, der sie versichert. Über die Prämien wird auch recht schnell geregelt werden, das “dumme” autonome Autos verschwinden da sie den Versicherern schlicht zu teuer sind.

    Soll ein Auto lieber Kind oder Oma umfahren? – Wenn man sich gesellschaftlich nicht einigen kann, bleibt, anders als von dir angedeutet, durchaus die Variante “Zufall”, nichts ist einfacher. Auch die typisch Menschliche Variante im Zweifel nichts zu tun, also nur bremsen und geradeaus zu fahren lässt sich programmieren. Was immer ein Auto hier macht, es ist nicht schlimmer als das was ein Mensch in der gleichen Situation auch machen könnte.

    Unfallhäufigkeit – Wie andere auch schon kommentierten, könnten Autos wesentlich unfallfreier fahren weil sie einfach schneller reagieren und immer aufpassen. Natürlich können sie auch mal Fehlfunktionen haben aber die haben einige Autofahren offenbar auch ab und zu… alles in allem vermute ich aber das in 30 Jahren das Steuern eines Autos ein teuerer Luxus wird weil man dafür eine extra Mensch-am-Steuer-Versicherung braucht!

  17. Tolle Folge, spannendes Thema und viele kluge Gedanken ! Danke für die tolle Arbeit die du da machst!

  18. Danke für diesen Podcast! Werde dieses Buch auf jeden Fall lesen. Im Moment weiß ich noch nicht wie ich die Umstrukturierung unserer Gesellschaft finden soll. Tatsächlich empfinde ich es als beängstigend aber unumgänglich. Bin gespannt auf die Ausführungen im Buch!

  19. Hmmm… ich glaube, dass Granularität nur bis zu einem gewissen Punkt unseren Alltag bestimmen wird. Wir selbst bleiben ja die Menschen, die wir nunmal sind und als solche sind wir darauf angewiesen, in gröberen Mustern zu denken. Die Granularität bewirkt mehr und mehr Expertenwissen, das auch auf den jeweiligen Feldern wichtige Veränderungen herbeiführt. Aber sobald ich in einem Thema nicht Experte bin, muss ich mich doch wieder pauschalisierender Einordnungen bedienen. Der Unterschied besteht darin, dass mir jetzt klar sein kann, dass mein Begriff von den Dingen nicht einfach nur unvollkommen ist, sondern womöglich so sehr vereinfacht, dass er sogar falsch ist.
    Aber juckt das die nachwachsende Generation? Klar, es wird gewöhnlicher, über geschlechtergrenzen hinauszudenken, aber gleichzeitig ist konformes Verhalten, das nicht aneckt so populär, wie schon lange nicht mehr. Insofern stimmt es schon: Granularität hat die Individualität so selbstverständlich gemacht, dass es keiner Abgrenzung mehr bedarf.

    Ich bin mir noch nicht sicher, ob es sinnvoll ist, bei der ganzen Sache von einer Katastrophe zu reden. Sicherlich gibt es (wieder nur in einigen Bereichen) drastische Veränderungen, aber gleichzeitig ist die Bedrohung bei weitem nicht so existenziell, wie bei der idustriellen Revolution. Zum einen tauschen wir nicht Selbstversorgung gegen Erwerbstätigkeit ein, sondern Erwerbstätigkeit x gegen Erwerbstätigkeit y. Zum anderen haben wir Absicherungssysteme, die zwar sicherlich nicht perfekt sind und auch nur endlich belastbar, aber damals überhaupt nicht vorstellbar waren. Hinzu kommt, dass wir deutlich besser vorbereitet sind, weil wir viel mehr bezahlte Gehirnpower in solche Zukunftsfragen stecken – was natürlich nicht bedeutet, dass wir politisch auch in die entsprechende Richtung lenken ;)

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