Über Manfred Koch: „Faulheit. Eine schwierige Disziplin“
Heute, da Vollbeschäftigung als Gipfel des gesellschaftlich Erstrebenswerten gilt, Umtriebigkeit und atemloses »Am-Ball-Bleiben« auch nach der Arbeit angesagt sind, scheint jeder sich rechtfertigen zu müssen, der am Wochenende einfach nur Däumchen drehen möchte. Dabei galt Muße zu haben in der Antike als Ideal, und selbst das Mittelalter übte noch Nachsicht gegenüber dem antriebslosen Nichtstuer. Erst die Neuzeit brachte die entscheidende Wende: Fortschrittsglaube und Veränderungswille ließen ihn seine Unschuld verlieren, machten ihn zur parasitären Existenz. Seit einiger Zeit allerdings beginnt der Gedanke der Entschleunigung wieder an Akzeptanz zu gewinnen…
(Klappentext)
Nach vier Monaten Podcast-Faulheit habe ich mich endlich aufgerafft, Manfred Kochs „Kulturgeschichte des Müßiggangs“ zu lesen. Turns out: Ich war überhaupt nicht faul! Diese und andere Erkenntnisse mehr hört ihr in dieser Folge.
„Schlaraffenland“ von Pieter Bruegel der Ältere (1526/1530–1569) – first upload in de wikipedia on 22:18, 16. Jun 2003 by Stefan Kühn. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.
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1. Mai 2015 um 23:41
Ohhh ja, eine neue Folge. Sehr schön :-)
Faulheit ist immer wieder ein sehr spannendes Thema, denn neben Vorstellungen über Migrationspolitik, haben viele auch von Faulheit ein sehr extremes (falsches) Bild.
Vor einiger Zeit hatte sich auch die GEO Zeitschrift mit dem Thema beschäftigt und der liebe Soziologe Hartmut Rosa findet das ein oder andere Mal auch passende Worte. Vielleicht nicht immer konkret zur “Faulheit” aber unter Garantie zur Entschleunigung.
Beste Grüße,
Patrick
2. Mai 2015 um 21:32
Mal wieder eine sehr interessante Folge!
Den Satz
„Und da wir bei euch waren,
geboten wir euch solches, daß, so
jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen“
ist, so glaube ich, anders zu verstehen. Weniger ist die köperliche Lohnarbeit gemeint. Vielmehr meint Paulus die Arbeit an sich selbst und der eigenen Spiritualität. Erst im 19. Jhd. wurde die Aussage – entsprechend der Anforderungen der Fabrikarbeit – neu interpretiert und damit pervertiert. Es gibt auch die These, dass er bewusst eine Geisteshaltung zuspitzte um deren Absurdität zu offenbaren.
Ich freue mich schon auf die nächste Folge!
3. Mai 2015 um 14:14
Faulheit ist definitiv ein sozialer Kampfbegriff, wenn auch nicht der Einzige. Viel allgegenwärtiger ist das Synonym “Minderleister”. Es stört sich auch leider niemand mehr daran, denn es ist durch alle Schichten und Weltanschauungungen hindurch salonfähig geworden. Dabei entmenschlicht gerade dieser Begriff gezielt den/die Betitelte(n), um die an Ihr/Ihm begangene Willkür scheinbar zu rechtfertigen. Schließlich ist jemand, der weniger leistet als er kann, doch selber Schuld, wenn ihn dann der vermeindlich gerechtfertigte Zorn der Gesellschaft trifft, oder? Aus einer solchen Denke, folgen schnell eine ganze Reihe von unmenschlichen, undemokratischen Konsequenzen. Zum Beispiel: Sollen Faule wählen dürfen, schließlich bezahlen doch vermeindlich vor allen Dingen die Tüchtigen den Staat mit ihren Steuern, oder? Sollen Faule Geld aus der sozialen Sicherung erhalten, wenn doch vermeindlich ihre Faulheit ursächlich für ihre Mittellosigkeit ist? Usw. Letztendlich stellt sich nur die Frage, was eine so auf menschliche Arbeit fixierte Gesellschaft einmal tun wird, wenn auch die fleissigsten Arbeiter mit der Produktivität von Maschinen und Robotern/Computern nicht mehr werden mithalten können.
8. Mai 2015 um 09:53
Diese Folge hat wieder bewiesen das Faulheit und Intelligenz Bruder und Schwester sind. Vielen Dank!
8. Juni 2015 um 15:35
Liebe Alexandra,
Deine Worte über Deine Introversion hat mich an einen Spruch erinnert, den ich kürzlich gelesen habe.
“Artists are people driven by the tension between the desire to communicate and the desire to hide.”
― D.W. Winnicott
Vielleicht erkennst Du Dich darin ein wenig? :-)
Liebe Grüße, Rena
8. Juni 2015 um 19:31
100% :-)
28. Juli 2015 um 22:05
aktuell ein Artikel dazu:
http://www.brandeins.de/archiv/2015/faulheit/einleitung-wolf-lotter-faulheit-mehr-faulheit-wagen/
Da musste ich gleich an diese Podcast Episode denken. Ob der Author den wohl gehört hat?
Gruß
Frank
15. Februar 2016 um 14:43
Liebe Alexandra, toller Podcast :-) Ich bin erst jetzt zum “nachhören” gekommen und konnte mich so gut wieder finden, dass ich deinen Beitrag auch gleich in meinem Blog verarbeitet habe. Du findest ihn unter http://sachtsam.com/2016/02/15/podcast-der-woche-faulheit/
Danke dir und mach weiter so!
Sandra
31. Januar 2017 um 16:37
Interessanter Podcast. Ich glaube ja, dass es noch einen anderen Aspekt der da auch mitreinspielt. Den der Langeweile oder Langeweile aushalten können. Immer wenn es mich mal reitet, irgendwie Zeit zu “füllen” und das ist bei mir eher analog, also Gitarre spielen, handwerkern oder ähnliches und ich merke, dass ich es nur mache, damit ich meine Zeit nicht sinn-los verplempere, lese ich das Interview mit Gerhard Polt in der Süddeutschen “Ich sinnlose so vor mich hin …”, schnauf einmal durch hin und ergebe mich der Schildkrötelei.
3. Mai 2017 um 15:04
Eine kleine Anmerkung zu Luther:
Was für ihn an Bettelmönchen wahrscheinlich besondern schwierig war, war der Umstand, dass sie nicht nur den Leuten auf der Tasche saßen, sondern ihnen in seinen Augen darüber hinaus auch noch schadeten, indem sie die Leute mit überzogenen Bußforderungen einschüchterten und sich teils am Ablasshandel bereicherten.
6. März 2018 um 17:11
“Wie herrlich ist es, nichts zu tun, und dann vom Nichtstun auszuruhn.” Heinrich Zille
Schöne Grüsse aus Osnabrück